„Du bist schuld!“ – diesen Satz bekam Erno in seiner Beziehung mit Luisa (*Namen geändert) sehr oft zu hören. Laut Luisa trug er die Verantwortung für alle Beziehungsprobleme.
- Nie spüle er einmal das Geschirr.
- Nie kümmere er sich genug.
- Mit anderen Leuten unterhalte er sich immer viel aufmerksamer als mit ihr.
Auf solche Unterstellungen reagierte Erno nicht selten mit Wut. Auf jeden Fall zog er sich aber immer mehr zurück. Er empfand Luisas Kritik als Kränkung, Abwertung und manchmal gar als Erpressung. Als die beiden gemeinsam in meine Paarberatung kamen, befanden sie sich in einer Abwärtsspirale aus Vorwürfen und gegenseitigen Anschuldigungen. Beide waren durch das Verhalten des jeweils anderen verletzt und einander bereits sehr fremd.
Blicken Sie hinter die Fassade von Schuldzuweisungen
Ich sage meinen Klientinnen und Klienten immer: Hinter jedem Vorwurf steckt ein „vertrockneter“ Wunsch, also ein unerfülltes Bedürfnis. Leider haben wir in unserer Ursprungsfamilie oftmals gelernt, indirekt zu kommunizieren. Wir versuchen, mit lautstarker Kritik unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen und anderen Menschen Schuldgefühle einzureden – doch so funktioniert eine langhaltige und ausgeglichene Partnerschaft nicht.
Denn selbst wenn Sie mit dieser Methode erst mal Erfolg haben und Sie Ihre Forderung durchsetzen können: Es bleibt ein übler Nachgeschmack, denn es gibt bei dieser Art von Auseinandersetzung einen Gewinner und einen Verlierer. So entsteht eine Quelle der Unzufriedenheit, die auf Dauer dazu führen kann, dass Sie sich trennen.
Die Natur der Vorwürfe – schlechte Emotionen vorprogrammiert
Schuldzuweisungen sind im Grunde nichts anderes als verbale Akte der Gewalt. Sie pauschalisieren und generalisieren. Sie beginnen mit „gestern hast du schon wieder…“ oder „immer bist du…“ und enden oft mit einer entwertenden Äußerung. Sie richten sich auf vergangenes Verhalten und sagen bereits eine schlechte Zukunft vorher. Sie rufen negative Gefühle hervor.
Luisa riet ich daher im Coaching: Versuchen Sie es anders, verbessern Sie Ihre Kommunikation! Gewöhnen Sie sich an, erst einmal inne zu halten und ein bisschen Denkarbeit zu leisten. Gehen Sie innerlich auf die Suche und fragen Sie sich:
- Was will ich denn eigentlich wirklich?
- Was ist es was mich so sehr stört, und was hat das möglicherwiese mit mir zu tun?
- Wie kann ich mein Anliegen als Wunsch formulieren?
Ihren Wünschen Ausdruck geben – 6 Tipps
Manchmal ist es am Anfang sehr schwierig, Wünsche zu formulieren. Beachten Sie dabei,
- nie in der Möglichkeitsform zu formulieren. Sagen Sie zum Beispiel „Ich wünsche mir…“ statt „Ich wünschte mir….“ oder „Ich würde mir wünschen…“
- keine Vergleiche anzubringen. Sagen Sie nicht: „Mach es doch wie …“
- sich auf eine bestimmte Situation zu beziehen, in der der Partner das gewünschte Verhalten zeigen soll.
- keine Worte wie immer, endlich, nur, einmal und wenigstens zu verwenden.
- In der ersten Person zu formulieren. Sagen Sie nicht „Es wäre schön, wenn….“ sondern „Ich wünsche mir, dass…“ oder „es würde mir gut tun, wenn…“
- dass die Umsetzung der Bedürfnisse auch wirklich im Kompetenzbereich Ihres Partners liegt.
Mit Luisa übte ich in den Sitzungen der Paartherapie diese „Metamorphose“ ihrer Kritik. Ich bat sie, typische Schuldzuweisungen aufzuzählen – und diese in andere Worte zu packen. Sie war erstaunt: Denn obwohl sie auch dann sagte, was sie fühlte, lag plötzlich viel Einfühlungsvermögen und Zärtlichkeit darin.
Zu Hause in angenehmer Atmosphäre üben
Als Hausaufgabe sollte das Paar diese Kommunikationsform weiter üben. In der nächsten Therapie-Stunde erzählten sie mir, dass sich das Verhältnis langsam entspannte. Alleine die Erkenntnis, dass Schuldzuweisungen oft einfach einen Wunsch beinhalten, half den beiden weiter.
Für betroffene Paare noch ein Tipp: Setzen Sie ein „Gegengewicht“ zu Vorwürfen und Anklagen. Schreiben Sie jeden Tag drei Dinge auf, die in Ihrer Beziehung sehr schön sind und gut laufen oder was Ihnen am Partner gut gefällt. Sie werden sehen: Äußern Sie mehr Anerkennung und Respekt, werden Beschimpfungen und Streit weniger und Sie haben mehr Spaß zu Zweit.
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