Alle Jahre wieder wird in Familien und Beziehungen gezofft und gezankt. Weihnachtszeit ist Krisenzeit – und dafür gibt es in der Psychotherapie eine einfache Erklärung: Beim Fest der Liebe sind die Erwartungen besonders groß. Alles soll harmonisch ablaufen, jeder soll sich lieb haben, gemütliche Nachmittagsspaziergänge und fröhliches Weihnachtsliedersingen treten an die Stelle von Alltagsstress.
Doch diese Vorstellungen werden oft enttäuscht. Denn wo Menschen aufeinander treffen, prallen auch verschiedene Stimmungen, Wünsche und Bedürfnisse aufeinander. Mein Tipp ist deshalb: Klären Sie die Fronten schon vor der Feier, vermeiden Sie Streit und verleben Sie ein harmonischeres Weihnachten ohne Stress.
Hohe Ansprüche – große Enttäuschungen
Die erste Strategie: Gründen Sie einen Familienrat. Ja, klingt altmodisch, aber eine Vorab-Besprechung im Kreis der Familie hilft. Jeder soll in dieser Runde seine Wünsche für das Fest äußern. Klären Sie unbedingt folgende Fragen:
- Wie stellt sich jeder das Fest vor?
- Wie wollen Sie Weihnachten erleben?
- Mit welchem Gefühl wollen Sie nächstes Jahr an das Fest zurückdenken?
- Wie soll sich der Partner verhalten, damit es Ihnen gut geht?
- Was können Sie tun, damit es Ihnen gut geht?
- Und wie können Sie es hinbekommen, dass alle glücklich und zufrieden sind?
Wahrscheinlich haben Sie alle unterschiedliche Ideen von einem perfekten Weihnachtsfest – das ist nicht schlimm. Sie möchten gerne auswärts essen, damit Sie keine Arbeit haben? Ihr Partner möchte die ganze Familie zu Ihnen einladen? Ihr Nachwuchs möchte am liebsten zum Heli-Boarden nach Kanada fliegen? Schwierig unter einen Hut zu bringen, aber glauben Sie mir: es geht!
Finden Sie einen Kompromiss, mit dem alle leben können. Lassen Sie zum Beispiel das Essen liefern – und wenn ihr Spross lieber verreisen möchte, lassen Sie ihn ziehen. Vielleicht merkt er dann ganz von selbst, dass ein Weihnachten im Kreis der Familie schöner ist. Wenn Sie im Vorfeld Vereinbarungen treffen, laufen Sie kein Risiko, dass an Heiligabend alle genervt sind und dadurch die Harmonie leidet.
Aufgaben abgeben und entspannen
Sobald Sie einen Kompromiss gefunden haben, beginnen Sie mit der Planung. Legen Sie fest, wer bei der gemeinschaftlichen Feier welche Aufgabe übernimmt:
- Wer schmückt den Weihnachtsbaum?
- Wer kauft Getränke?
- Wer macht den Nachtisch?
Ein Klassiker ist, dass an den weiblichen Personen im Haushalt der Großteil der Arbeit hängen bleibt. Hier gilt: Delegieren Sie die Aufgaben – Sie müssen nicht alles alleine und vor allem auch nicht alles perfekt machen! Da ein Festessen eine Heidenarbeit ist, sollten Sie die einzelnen Gänge einfach unter Ihrer Verwandtschaft verteilen. Oma und Opa bringen die Vorspeise mit, Ihre Kinder sorgen für den Nachtisch und Sie als Eltern kochen zusammen den Hauptgang.
Freiräume lassen – Auszeiten einplanen
An Weihnachten, wenn alle Familienmitglieder heimkommen, verbringen Sie ungewohnt viel Zeit mit Ihren Liebsten. Zu viel Nähe kann aber richtig aufreibend sein und dazu führen, dass Sie konstant gestresst sind. Neben der gemeinsamen Zeit sind daher auch Freiräume wichtig. Genehmigen Sie sich selbst und Ihren Angehörigen immer wieder einen Rückzug von der Hektik.
- Gehen Sie mit Ihrem Partner einfach für eine Stunde spazieren
- lesen Sie ein paar Seiten in einem spannenden Buch
- Meckern Sie nicht, wenn die Kinder zwischendurch im Kinderzimmer verschwinden
Seien Sie achtsam und hören Sie auf Ihre innere Stimme und Ihr Bauchgefühl. Wenn Sie sehr unter Strom stehen, nehmen Sie lieber ein Entspannungsbad, während die Kinder den Baum schmücken. Auch, wenn Sie das lieber selbst gemacht hätten. Das Stichwort ist hier wieder: Delegieren!
Weihnachten ist das Fest der Liebe und Toleranz
Probleme, die schon länger vor sich hin brodeln, brechen manchmal aufgrund der emotionalen weihnachtlichen Grundstimmung hervor. Doch das Weihnachtsfest ist ein schlechter Anlass für Grundsatzdiskussionen. Legen Sie sich eine Strategie zurecht, wie Sie mit solchen Störungen umgehen möchten – falls es tatsächlich dazu kommt.
Immer eine gute Option ist, gelassen zu sein. Üben Sie sich gerade an Weihnachten in Toleranz. Wenn es doch zu Unstimmigkeiten kommt, nehmen Sie eher eine beobachtende Haltung ein. Sagen Sie sich „Ach so sieht das der/die Andere. Das ist auch eine interessante Sichtweise.“ Übrigens ist die Verbesserung Ihrer Kommunikation nicht nur für die Feiertage eine gute Option!
Es muss nicht alles traditionell und perfekt sein
Erlauben Sie sich Traditionen zu hinterfragen. Der Weihnachtsstress entsteht oft, weil wir möchten, dass alles märchenhaft weihnachtlich ist – so wie wir es uns eben seit unserer Kindheit vorstellen. Diese Idealvorstellungen sind verständlich. Doch wenn die Vorbereitungen zu stressig sind und die Verpflichtungen zu groß, können Dosenwürstchen mit Kartoffelsalat im Kerzenschein auch schön sein. Viel schöner als eine gestresste und dadurch gereizte Stimmung beim Festmahl.
Sind einige Verwandte Störenfriede? Sie müssen sich nicht mit allen verstehen, nur weil Weihnachtstage sind. Wenn sich einige nicht miteinander vertragen, ist es manchmal besser, getrennt zu feiern.
Fragen Sie sich im Vorhinein:
- Welche Weihnachts-Gewohnheit mag ich am wenigsten?
- Was mag ich an den Menschen, mit denen ich feiere, besonders gerne?
- Was würde ich an Weihnachten vermissen, wenn es nicht da wäre?
und planen Sie das Fest auf Basis Ihrer Antworten.
Weihnachtsstimmung genießen
Weihnachten ist ein wunderschönes, besinnliches Fest mit einer tollen Atmosphäre. So soll es auch in Ihrer Familie sein. Genießen Sie die Festtage und nehmen Sie sich vor, dieses Jahr ganz entspannt zu sein. Und wenn es doch zu Spannungen kommt, denken Sie dran: Besser etwas Weihnachtsstress und ansonsten ein nettes Beisammensein als Einsamkeit. Fröhliche Weihnachten!
Bild 1: © Sebastian Gauert – Fotolia.com, Bild 2: © fritzi braun – Fotolia.com
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