Untreue belastet eine Partnerschaft immer schwer – und zwar beide Parteien: Den Betrügenden nicht selten ebenso sehr wie den Betrogenen. Daher ist eine Paartherapie natürlich das Nonplusultra, um nach dem Seitensprung das Vertrauen wieder herzustellen. Doch Einzeltherapien können den Betroffenen ebenso helfen und in manchen Fällen sogar angebrachter sein. Wie meine Therapien in solchen Fällen ablaufen, möchte ich Ihnen heute anhand meiner Klientin Eva und meinem Klienten Paul schildern. (Namen geändert)
Eva: Die Betrogene
Eva und Paul kamen zu einer ersten Paarcoaching-Sitzung zusammen. Wie sich zeigte, hatte sich Eva nur widerstrebend darauf eingelassen. Sie war längst in der Wut-Phase: Ein „normales“, ruhiges Gespräch zwischen ihr und ihrem untreuen Exfreund – zu dieser Zeit hatten sie sich eigentlich schon von Paul getrennt – war kaum möglich. Um die Situation zu entschärfen, schlug ich der Betrogenen daher ein Einzelcoaching vor.
Gefühle formulieren
Die junge Frau kämpfte nach dem Vertrauensbruch des Partners mit den verschiedensten Gefühlen: Wut, Ärger, Enttäuschung, Eifersucht, Traurigkeit. Verletzt hatte sie vor allem, dass Paul nicht gleich mit der Wahrheit herausrückte und erst nach einem halben Jahr den Mut fand. Lange redeten wir über diese unterschiedlichen Emotionen, die ich sie bat, ausführlich und bildhaft zu beschreiben. Bald zeigte sich aber, dass Eva darüber hinaus noch viel schwerwiegendere Gedanken plagten: Sie fühlte sich unzulänglich und hatte das Gefühl, versagt zu haben.
Sie hatte Angst, in der Partnerschaft Fehler gemacht zu haben. Ihr Selbstbewusstsein war zutiefst verletzt. Doch auf der anderen Seite bereute sie inzwischen auch in gewissen Teilen, so schnell die „Notbremse“ in Form einer sofortigen Trennung gezogen zu haben. Sie fragte sich nämlich, ob sie den Seitensprung nicht doch verzeihen könnte. Für mich eine wichtige Aussage: Denn dies zeigte mir, dass von ihrer Seite Liebe und Mut vorhanden waren, um das Fremdgehen aufzuarbeiten.
Anforderungen an die Beziehung in Worte fassen
Davon ausgehend bat ich Eva, Bedingungen zu sammeln – solche, die sie Paul stellen würde, wenn sie noch einmal mit ihm zusammenkäme – und diese aufzuschreiben. Ihre Liste umfasste u.a. „absolute Ehrlichkeit“ und „den Mut, unangenehme Dinge anzusprechen“. Eva wünschte sich emotionale Echtheit von Paul, dass er sich authentisch zeige und über seine Gefühle spreche.
Wir übten zusammen auch bereits Kommunikationsmethoden, damit Eva Paul ihre Forderungen verständlich machen könnte – und zwar konstruktiv und möglichst ohne Vorwürfe. Diese sollte sie stattdessen in die bereits besprochenen Wünsche umwandeln. Ich sensibilisierte Eva für Fallstricke des Streitens, um das nächste Gespräch zwischen den beiden ruhiger ablaufen zu lassen.
Paul: Der Fremdgeher
Paul war die treibende Kraft für die Therapie. Seine Schuldgefühle zermürbten ihn und er kämpfte mit einem permanenten schlechten Gewissen. Obwohl er sein Fremdgehen so sehr bereute und es für ihn eine einmalige Sache war, zögerte er lange, es Eva zu beichten. Er wusste um den großen Stolz seiner Ex-Freundin und war sich sicher, dass sie die Beziehung sofort beenden würde.
Gründe für das Brechen der Treue herausfinden
Auch mit Paul traf ich mich zu Einzeltherapiesitzungen. Wir nutzten sie, um seine Beweggründe für seine Untreue herauszufinden – denn wer fremdgeht, dem fehlt meist etwas. Liebe war es nicht – Eva war nach wie vor sein Ein und Alles. Auch im Bett klappte es zwischen den beiden sehr gut, der Sex war nicht das Problem. Nichtsdestotrotz stellte sich bald heraus, dass in der Beziehung ein gewisser Alltagstrott eingekehrt war.
Beide waren sehr in ihren Jobs eingespannt, gemeinsame Zeit hatten sie kaum noch. In einer Disconacht, in der auch einiges an Alkohol floss, fühlte sich Paul jünger und war zu Abenteuern aufgelegt. So entstand das Dilemma – ohne dass er lange darüber nachdachte. Gemeinsam identifizierten wir also als Auslöser für seinen Betrug eine gewisse Grundunzufriedenheit mit der Beziehung.
Intensive Arbeit an den eigenen Vorstellungen
Auch mit Paul arbeitete ich an seinen Wünschen und Vorstellungen für eine evtl. wieder auflebende Beziehung mit Eva. Ich versuchte mit ihm Ideen zu sammeln, wie er zusammen mit Eva die alten Missstände – die zwar keine Entschuldigung, aber doch ein Grund für seinen Ausrutscher waren – aus der Welt schaffen könnte. Wir unterhielten uns viel über Strategien, wie man den Schwung zurück in eine Beziehung holen könnte – und somit zukünftige Seitensprünge auch verhindern könne.
Außerdem „schulte“ ich auch Paul in Methoden zur Konfliktklärung und Kommunikationsoptimierung, wie zum Beispiel dem Zwiegespräch. Ziel war, eine möglichst gute Grundlage für die Paartherapie mit Eva zu schaffen. Ich sensibilisierte ihn außerdem bereits für Evas Bedürfnisse und ermunterte ihn, die Perspektive zu wechseln und sich in ihre Rolle zu versetzen.
Einzelcoaching ist oft nur der Anfang für Paare
Nachdem beide drei Einzeltherapie-Sitzungen bei mir absolviert hatten, äußerten sie selbständig den Wunsch, es noch einmal mit einer Paarberatung zu versuchen. Die zweite gemeinsame Sitzung lief viel entspannter ab als beim ersten Mal. Vor allem, weil sich beide auf ihr wahres Ziel besonnen hatten und verständnisvoller kommunizierten. Noch befinden sich die beiden bei mir in Therapie und es ist noch nicht klar, ob sie wieder zusammenfinden werden. Doch der erste Schritt ist getan!
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